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Dabei geht es insbesondere um
- die Bildung der Bundesländer Hessen und
Rheinland-Pfalz,
- die "Teilung" meines Heimatlands Nassau
in diesem Zusammenhang und
- der vergebliche Versuch, dies mit
Volksbegehren und -abstimmung wieder rückgängig zu machen.
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Im Sommer 1945 planten
die Amerikaner noch die Gründung zweier eigenständiger Länder im
Norden ihrer Besatzungszone: Hessen-Nassau und Hessen (-Darmstadt).
Das ist nach der geschichtlichen Entwicklung in diesem Raum durchaus
nachzuvollziehen: Kein Mensch am Rhein in der Gegend um Wiesbaden wäre wohl
auf die Idee gekommen, sich als "Hesse" zu bezeichnen.
Doch es kam
anders: Am 19. September 1945 erließ der Oberste Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in
Europa, General Dwight D. Eisenhower, die
Proklamation Nr. 2 an das deutsche Volk in der amerikanischen Zone, mit der die drei
Staaten Groß-Hessen, Württemberg-Baden und Bayern gebildet wurden.
"Groß-Hessen" hieß das neue Land,
weil die
Amerikaner von ihrem o. a. ursprünglichen Plan wieder abgerückt waren. |
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Danach setzte sich
"Groß-Hessen" zusammen aus dem
Gebiet des Volkstaats Hessen
(Hessen-Darmstadt)
und der ehemaligen preußischen
Provinz Hessen Nassau (Kurhessen und Nassau).
Wichtige Teile von Nassau und
Hessen-Darmstadt wurden jedoch der französischen
Besatzungszone zugeschlagen; es handelte
sich um das Kerngebiet des alten
bis 1866 bestehenden Herzogtums bzw. der späteren
bis 1945 existierenden preußischen Prov. Nassau (die
rechtsrheinischen Kreise Ober-
und Unterwesterwald,
Unterlahn und St. Goarshausen) und das
linksrheinische Rheinhessen. Auf hessischer Seite wurden die
Teilung Nassaus und die Abtrennung Rheinhessens von Anfang an nicht akzeptiert:
schon im Staatsgrundgesetz des Staates Groß-Hessen v. 22.11.1945 hieß es, die
vorgenannten Gebietsteile gehörten "zur
Zeit nicht
zu dem Staatsgebiet
des Staates Groß-Hessen". |
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Der
Name "Nassau" ging trotz der Entwicklung in der amerikanischen Besatzungszone
nicht gleich im ersten
Nachkriegsjahr unter.
Die Namen
der von der französischen
Militärregierung gebildeten Oberpräsidien lauteten nämlich auf
„Rheinland-Hessen-Nassau“ (mit Sitz in Koblenz) und „Hessen-Pfalz“ (mit
Sitz in Neustadt).
Die
abgetrennten Gebiete wurden in der
Verordnung Nr. 57 des Chefs der
französischen Besatzungstruppen, des
Generals Pierre Koenig, vom 30.8.1946, mit der „ein neues Land
(Rheinland-Pfalz) geschaffen wurde“, ausdrücklich
als Regierungsbezirke Montabaur und Mainz
ausgewiesen.
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Hessen -
der Name "Groß-Hessen" wurde nach der Annahme der Landesverfassung durch das
Volk im Dezember 1946 entsprechend vereinfacht - erhob
in der Folgezeit insbesondere in der
Regierungszeit von Ministerpräsident Georg-August Zinn (1951 bis 1969)
- mit seinem bekannten Sonderreferenten Otto Georg
- stets
den politischen Anspruch auf Rückführung der abgetrennten
Territorien.
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Nach Abschluss der Pariser Verträge im Mai
1955 und der Aufhebung der Suspendierung des Grundgesetzes durch die westlichen
Besatzungsmächte wurden vom 9. bis zum 22.4.1956 in diesen Gebieten auf der
Grundlage des Art. 29 Abs. 2 GG Volksbegehren durchgeführt. In Nassau und
Rheinhessen sprachen sich 25,3 % und 20,2 % der Stimmberechtigten durch
eigenhändige Unterschrift für eine Angliederung an Hessen aus (vgl. Evers,
Bonner Kommentar, Art. 29 Rn 10); nötig waren 10% der Stimmberechtigten. In der
BRD wurden 1956 insgesamt 6 erfolgreiche Volksbegehren durchgeführt (außer
den beiden genannten noch in Koblenz/Trier, wo es
um den Anschluss an Nordrhein-Westfalen
ging, in Baden, Oldenburg und Schaumburg/Lippe. (Im "Kunstgebilde"
Rheinland-Pfalz hatten die
Neugliederungs-Befürworter also lediglich im Regierungsbezirk Pfalz einen
Misserfolg zu vermelden, wobei die Stimmberechtigten dort sowohl für die
Angliederung an Bayern als auch an Baden-Württemberg unterschreiben konnten.) |
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In keinem Gebiet war der
Anteil der Neugliederungsbefürworter allerdings höher als im
rheinland-pfälzischen Teil Nassaus, dem
damaligen Regierungsbezirk Montabaur (heute: Rhein-Lahn-Kreis und
Westerwaldkreis).
Der Ende des
Jahres 1955 gegründete „Heimatbund Hessen Nassau“ – maßgeblich geführt von dem
bekannten Kalkwerksbesitzer Wilhelm Schäfer (F.D.P.) aus Diez – hatte immer
wieder das Zusammengehörigkeitsgefühl der nassauischen Bevölkerung betont und
die Parole ausgegeben: „Die Beseitigung dieser staatlichen Fehlkonstruktion ist
für jeden anständigen und denkfähigen Nassauer eine Herzensangelegenheit!“ Das
von dem „Bund Rheinland-Pfalz“, den die rheinland-pfälzische Landesregierung auf
Landesebene ins Leben gerufen hatte, dagegen gestellte Motto: „Nassauer sind
keine Hessen, beteiligen sich also am Volksbegehren nicht und bleiben zu Hause!“
hatte nicht die erhoffte Durchschlagskraft. Der Erfolg des Volksbegehrens war um
so beachtlicher als der Heimatbund von der regionalen Presse boykottiert wurde,
allerlei staatlicher Repressalien ausgesetzt war und viele Bürger ein offenes
Bekenntnis gegen das Bundesland Rheinland-Pfalz nicht wagten. Die
rheinland-pfälzische SPD tat im April 1956 sogar ihre Überzeugung kund, dass bei
einer geheimen (und nicht namentlichen, also öffentlichen) Stimmabgabe eine
Mehrheit der Bürger einer Neugliederung des Landes Rheinland-Pfalz zugestimmt
hätten. |
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Der Bund zeigte
in der Folgezeit allerdings keine Eile bei der Ansetzung der dadurch notwendigen
Volksentscheide. Das Land Hessen reichte daraufhin eine Organklage ein, die vom
Bundesverfassungsgericht zwar am 11.7.1961 als unzulässig abgewiesen wurde
(sog.
„Hessenurteil“); jedoch
stellte das Bundesverfassungsgericht obiter die Verpflichtung des Bundes fest, die
Gebietsbevölkerung nunmehr über ihre Landeszugehörigkeit entscheiden zu lassen, und
zwar unabhängig von der Frage der Wiedervereinigung und der Eingliederung des Saarlands
(vgl. BVerfGE 13, 54, 97).
Doch bis zur endgültigen
Durchführung des Volksentscheids sollten noch weitere 14
(!) Jahre ins Land ziehen. Zwischenzeitlich legte eine vom
Bundesinnenministerium eingesetzte Sachverständigenkommission
(„Ernst-Kommission“) im November 1972 ihren Bericht vor, in dem sie empfahl, das
Bundesgebiet neu in 5 oder 6 strukturell homogene, finanzwirtschaftlich gleich
starke und jeweils etwa 10 Millionen Einwohner umfassende
Länder aufzuteilen. Danach sollte im südlichen Bundesgebiet die Zahl der
Bundesländer von bisher vier auf zwei reduziert werden. Obwohl Art. 29 Abs. 1 GG
damals noch lautete „Das Bundesgebiet...ist neu zu gliedern“ und obwohl der
Ernst-Bericht sorgfältig abgesichert war, ausgewogen argumentierte und die
grundsätzliche Zustimmung der Bundesregierung fand, kam es nie zu einem
umsetzenden Gesetzentwurf.
Vielmehr setzte der Bundesinnenminister
(endlich) am 11.11.1974 den
Tag der Volksabstimmung fest, und zwar bereits auf den 19.1.1975! Im
rheinland-pfälzischen Teil Nassaus fanden sich zwar vergleichsweise noch viele
Befürworter einer Länderneugliederung, aber auch hier wurde die Mehrheit der
Stimmen (und auch das
notwendige Quorum von 25 % der Stimmberechtigten) nicht erreicht (vgl.
Bundesanzeiger 1975,
Nr. 34 S.1 f). Das Ergebnis konnte
angesichts der Umstände niemanden überraschen. Auf rheinland-pfälzischer Seite
wird die Bundesregierung noch heute dafür gelobt, dass sie die Umsetzung des
Volksbegehrens durch geschicktes Taktieren so lange verzögert hat. Eine
gegen die Gültigkeit des Volksentscheids eingelegte Verfassungsbeschwerde (wegen des überstürzt
angesetzten Termins, noch dazu im Winter, des exorbitanten Mitteleinsatzes der
rheinland-pfälzischen Landesregierung für ihre Öffentlichkeitsarbeit, der einseitigen
Berichterstattung in den Tageszeitungen des Mittelrhein-Verlags in Koblenz und der
Verweigerungshaltung des Südwestfunks) wurde vom Bundesverfassungsgericht am 24.3.1976
als unbegründet verworfen (vgl. BVerfGE 42, 53 ff.).
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Übrigens: Erfolgreiche Volksentscheide zur
Länderneugliederung gab es 1975 durchaus, nämlich im
Verwaltungsbezirk Oldenburg und im Landkreis Schaumburg-Lippe. Der Bundestag war
jedoch an diese Volksentscheide nach der Fassung des Art. 29 GG 1969 nicht
zwingend gebunden und beschloss zur Vermeidung von Nachteilen für die
Gebietsstruktur den Verbleib dieser Gebiete beim Bundesland Niedersachsen.
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Umgekehrt blieben allerdings auch
"Abwanderungs-Bestrebungen" von südhessischen Gemeinden nach Baden-Württemberg
erfolglos;
das Bundesinnenministerium
lehnte hier schon den Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens
mangels Vorliegens einer ehemaligen Provinz ab (vgl. BVerfG,
Urt. v. 30.5.1956 in BVerfGE 5, 56 ff.).
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