Dreßler/Rabbe: Kommunales Baumschutzrecht 
(3. Auflage 2001. Kommunal- und Schulverlag, Walluf)

Auch dieses Buch ist zu Beginn des Jahres 2001 in einer neuen - mittlerweile schon der dritten - Auflage erschienen.

Rechtliche Regeln zum Schutz der Bäume sind in Deutschland weniger Gegenstand des Bundes- bzw. Landesrechts, sie liegen vielmehr primär in der Hand der jeweiligen Kommune. Gerade großen Städten in dicht besiedelten Gebieten kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Lässt man hier den typischen Baumgegner - und das ist im Zweifel nicht Otto Normalverbraucher, sondern eine Bauträgergesellschaft - nach Gutdünken walten, droht der Stadtökologie und in der Summe der gesamten Umwelt ein enormer Schaden. Hier gilt es für die Kommunen, mit Baumschutzsatzungen und -verordnungen gegenzusteuern.

Freilich lässt sich ein örtliches Gesetz zum Schutz der Bäume, das ja naturgemäß nicht einzelne, sondern alle Bürger in die Pflicht nimmt, auf Dauer nur halten, wenn es klare und verständliche Regelungen trifft und in jeglicher Hinsicht auf Akzeptanz ausgerichtet ist.

Dabei wollen wir mit unserem Buch eine Hilfestellung geben. Es ist ein besonderes Buch, schon allein deswegen, weil sich hier ein Jurist und ein Landschaftsarchitekt zusammengetan haben. Mein Freund und Nachbar Magnus Rabbe ist Leiter der Unteren Naturschutzbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Bevor ich zum Innenministerium gewechselt bin, war ich von 1986 bis 1992 Justitiar im dortigen Rechtsamt, spezialisiert auf Umweltrecht. Zusammen haben wir die Wiesbadener Baumschutzsatzung v. 27.6.1990 erarbeitet, die später von vielen Kommunen, auch in den neuen Bundesländern, übernommen wurde. Auch in meiner jetzigen beruflichen Funktion bin im Rahmen der Kommunalaufsicht noch vielfach mit Rechtsfragen des kommunalen Satzungsrechts befasst. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für kommunale Baumschutzvorschriften sind in allen Bundesländern nahezu gleich.

Nach der Veröffentlichung des Buches, genauer gesagt im Jahr 2002, wurde das Naturschutzgesetz in Hessen allerdings erheblich zu Ungunsten der gemeindlichen Selbstverwaltung geändert und nimmt nunmehr im Ländervergleich eine singuläre Stellung ein: vgl. dazu meinen Exkurs über die Entwicklung des Baumschutzrechts ab 2002 weiter unten.

Unser Buch war seit der 1. Auflage, also seit 1995, Teil der "Praxis der Kommunalverwaltung", eines gewaltigen Loseblattwerks, das von vielen Kommunen bezogen wird; es hat dort die Gliederungsnummer: G 10a. Da es sich aber auch an Bürger, Baumpflegefirmen, Architekten, Naturschutzverbände, Anwälte und Gerichte wendet, ist es auch von Anfang an als Taschenbuch aufgelegt worden. Von den vielen positiven Besprechungen, die unser Buch in der Presse erfahren hat, sollen drei hervorgehoben werden: Die Besprechung unserer 2. Auflage durch Franz Otto in der NVwZ 2000 S. 540, schloss mit dem für uns äußerst erfreulichen Satz: "Wer Baumschutz betreiben will, ist auf dieses Buch angewiesen". Derselbe Rezensent hat zur neuen Auflage bemerkt: "Eine solch starke Nachfrage kommt auch für die dritte Auflage in Betracht, denn das Buch stellt eine hervorragende Informationsmöglichkeit dar. Es ist überhaupt die einzige aktuelle Quelle über die einschlägige Rechtsprechung zum Baumschutzrecht" (in der NuL 2001, S. 558).  Erich Gassner hat kürzlich seine ausführliche Besprechung unserer 3. Auflage (in der NuR 2001 S. 540) mit dem folgenden Worten beendet: "Gewiss eine lohnende Investition".

Unser Vorwort für die nun vorliegende 3. Auflage können Sie hier lesen.

Wer auch die Werbeschrift des Verlags für die nun vorliegende 3 .Auflage lesen oder das Buch gleich bestellen will, kann das beim Kommunal- und Schulverlag erledigen.

 

Zur Entwicklung des gemeindlichen Baumschutzrechts in Hessen ab 2002:

Die Hessische Landesregierung (Kabinett Koch/Wagner) brachte in der letzten Legislaturperiode (1999 - 2003) am 22.1.2002 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Naturschutzgesetzes in den Landtag ein (LT-Drucks. 15/3544).  Ein Ziel war, grundsätzlich "das gesamte innergemeindliche Grün in die Verantwortung der Gemeinden gestellt werden". Allerdings sollte der Anwendungsbereich des § 26 HeNatG nach dem Entwurf eingeschränkt werden, so dass die Opposition (auch) aus diesem Grund von einem "Naturausbeutungsgesetz" bzw. "Naturnutzgesetz" sprach (vgl. LT-Drucks. 15/2805). In der Begründung des Gesetzentwurfs hieß es dazu, "die vorhandenen Baumschutzsatzungen würden von den Bürgern häufig als zu dirigistisch empfunden". Der Landtag setzte die entsprechende Novelle des Hessischen Naturschutzgesetzes zum 28.6.02 in Kraft! Gemeindlicher Baumschutz ist danach zukünftig in Hessen nur noch im bauplanungsrechtlichen Innenbereich und insbesondere nur noch dann möglich, wenn "der Charakter des Gebietes oder des Bestandes" den satzungsrechtlichen Schutz erfordern. Das zuerst genannte neue Kriterium hat für die kommunale Praxis kaum Relevanz, die Bedeutung der zweiten neuen Voraussetzung ist für baumschutzwillige Gemeinden ziemlich entmutigend. Bestehende Satzungen waren bis zum 31.12.2003 einer entsprechenden Prüfung zu unterziehen.
                                                                                                                                   

Alle hessischen Gemeinden, die ihre örtlichen Baumschutzsatzung  beibehalten wollen, mussten ihr entsprechendes Ortsgesetz bis zum 31.12.2003 an das neue Hessische Naturschutzgesetz anpassen. Insbesondere war zu untersuchen, ob die Baumschutzsatzung weiterhin alle bebauten Gebiete der Stadt erfassen darf, denn nach dem Gesetz muss der Charakter des Gebiets oder des Bestandes den besonderen Schutz erfordern. Gegen diese Einengung des gemeindlichen Handlungsspielraums hat übrigens insbesondere der Hessische Städtetag energisch protestiert (vgl. INF. HStT 2002, S. 27).

Die neue Baumschutzsatzung der Stadt Frankfurt am Main – von der dortigen Stadtverordnetenversammlung am 29.1.2004 beschlossen – ist vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 14.9.2004  für unwirksam erachtet worden. Das Gericht hält es offenbar mit dem neuen § 26 HeNatG nicht mehr für vereinbar, dass eine hessische Gemeinde in ihrem gesamten Innenbereich die Bäume unter Schutz stellt. Auch fehle die besondere Bürgerbeteiligung entsprechend § 3 Baugesetzbuch (wie bei der Aufstellung von Bebauungsplänen).
In der Presse wurde daraufhin der neue § 26 HeNatG mit deutlichen Worten kritisiert: Vom „Ruf der Säge“ war die Rede (Ralf Hasch in der Frankfurter Rundschau vom 5.4.2004), „Baum ab - landesweit“ laute das Motto von CDU und FDP (Wolfgang Schubert in der Frankfurter Rundschau vom 27.9.2004).  

Die Rechtslage in Frankfurt entspricht den Satzungsmustern des Hessischen Städtetages und des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. Erwartungsgemäß ließ der Hessische VGH mit Beschluss vom 18.10.2005 die Berufung der Stadt Frankfurt am Main wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zu. Inzwischen aber ist dieser Rechtsstreit im Juni 2006 übereinstimmend für erledigt erklärt worden, das Piloturteil hat es also nicht geben.

Die entscheidende Rechtsfrage blieb also für die hessischen Gemeinden lange offen: Dürfen sie tatsächlich, wie das VG Frankfurt am Main meint, anders als in den anderen Bundesländern nicht länger ihren gesamten Innenbereich einer Baumschutzsatzung unterwerfen?
Interessant ist, dass in dieser zentralen Frage offensichtlich also ein gewaltiger Dissens zwischen der Landes-CDU auf der einen Seite und der lokalen CDU in Frankfurt besteht!. Demgegenüber fielt es kaum mehr ins Gewicht, dass das  Hessische Naturschutzgesetz 2002 in anderen Punkten den gemeindlichen Regelungsspielraum durchaus erweitert hat. Ein Erst-Schützen-Dürfen ab einem bestimmten Stammumfang oder ein Nicht-Schützen-Dürfen in öffentlichen Grünanlagen (z.B. des Landes) ist gesetzlich nicht mehr vorgegeben. 

In der Diskussion wies die Stadt Marburg darauf hin, dass sich nach der Gesetzeslage eine Baumschutzsatzung durchaus nach wie vor auf den gesamten gemeindlichen Innenbereich erstrecken dürfe. § 26 HeNatG verlange schließlich den besonderen Schutz eines Gebietes oder(!) Bestandes. Auch die besondere Bürgerbeteiligung analog § 3 BauGB werde von § 26 HeNatG nur bei der Unterschutzstellung von Gebieten gefordert.

In einem weiteren Prozess (Normenkontrollverfahren) zur Frankfurter Baumschutzsatzung schloss sich der Vorsitzende des 4. Senats des Hess. VGH im Rahmen der mündlichen Urteilbegründung am 18.12.2006 – der Antrag wurde schon wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen – dieser Ansicht an; die Stadt Frankfurt habe daher durchaus in Übereinstimmung mit dem Gesetz die/alle näher bestimmten Bäume im städtischen Innenbereich ab einem bestimmtem Stammumfang unter Schutz stellen dürfen (vgl. Pressemitteilung des Hess. VGH vom 18.12.2006: „Frankfurter Baumschutzsatzung ist wirksam“). 

Über dieses Statement des höchsten hessischen Verwaltungsgerichts kam jedoch bei den hessischen Gemeinden schon im Zeitpunkt seiner Verkündung keine rechte Freue auf. Denn schon am 8.12.2006 trat in Hessen durch das Änderungsgesetz v. 4.12.2006 erneut ein novelliertes Hessisches Naturschutzgesetz 2006 in Kraft. Die Vorschrift über gemeindliche Baumschutzsatzungen wurde von § 26 nach § 30 HeNatG verschoben und sollte eigentlich nur eine leichte redaktionelle Überarbeitung erfahren. Baumschutzsatzungen für den gesamten gemeindlichen Innenbereich  sollten es aber nach der neuen Formulierung in § 30 S. 1 HeNatG ("in bestimmten Bereichen der im Zusammenhang bebauten Ortsteile") noch schwerer haben. Die erneute Gesetzesnovelle in der laufenden Legislaturperiode (2003-2008) beruht auf einem Gesetzesentwurf der hessische Landesregierung (Kabinett Koch) vom Mai 2006 (LT-Drs. 16/5549). Die Hoffnung auf ein „Zurückrudern“ der CDU, genährt dadurch, dass die Landesregierung nach jahrelangen Diskussionen in Nordhessen zum 1.1.2004 den Nationalpark Kellerwald ausgewiesen hat, nachdem das Umweltministerium dort noch im Winter 1999/2000 fast 1.500 Alt-Buchen fällen ließ, hat sich im Fall der gesetzlichen Ermächtigung für gemeindliche Baumschutzsatzungen also nicht erfüllt.

Kritiker bezeichneten diese Novelle als Frontalangriff auf die Natur in Hessen. Die Arbeitsgemeinschaft der Umweltsamtsleiter im Hessischen Städtetag äußerte sich wie folgt: "Die Novelle verändert den Stellenwert des Naturschutzes. Seine eigenständige Bedeutung wird aufgegeben. Er wird anderen Interessen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen, untergeordnet. Man könnte schlagwortartig zusammenfassen: "Eigennutz geht vor Gemeinnutz".

Zum Vergleich: Die bayerische Landesregierung gab sogar kürzlich  ihren Beschluss vom 4.10.2006 zur gänzlichen Streichung der Baumschutzverordnungs-Ermächtigung im Rahmen einer Deregulierungsoffensive (TOP 2 der Kabinettssitzung) bekannt. Es gelte, die Bürger vor übermäßigen Reglementierungen zu schützen, die häufig zu Nachbarstreitigkeiten missbraucht würden. Nach geharnischtem Protest fand dieser Vorschlag jedoch zumindest keine Aufnahme in den Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung vom 11.10.2006 für ein Gesetz zur Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen (LT-Drs. 15/6415). Unter diese Überschrift hätte sich das "Verbot" gemeindlicher Baumschutzsatzungen auch in der Tat nicht einordnen lassen!

Das hessische Naturschutzrecht musste im Jahr 2010 nach der von der Föderalismusreform und der damit einhergehenden Verschiebung von Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz erneut geändert werden: die Regierung Koch/Hahn legte am 30.8.2010 ihren Gesetzentwurf zur Neuregelung des Naturschutzes und der Landschaftspflege in Hessen vor (LT-Drs. 18/2749) vor. Das entsprechende Hessische Gesetz ist am 29.12.2010 in Kraft getreten. Nach § 12 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) vom 20. Dezember 2010 dürfen die hessischen Gemeinden zum Schutz der Bäume im Innenbereich,  innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, Satzungen über geschützte Landschaftsbestandteile verabschieden. Nach § 32 Abs. 3 HAGBNatSchG bleiben die bisherigen gemeindlichen Baumschutzsatzungen in Kraft. Es bleibt zu hoffen für die Gemeinden und auch für die Bürger, dass nunmehr in Hessen mehr Rechts- und Planungssicherheit einkehrt! Der Hessische Städtetag reagierte mit einer Pressemeldung vom 13.1.2011.  Zur Entwicklung in den anderen Ländern bezüglich der Anpassung an das BNatSchG 2010 vgl. http://www.bfn.de/0320_landesgesetze.html.

 

Zur Entwicklung des gemeindlichen Baumschutzrechts in Wiesbaden ab 2002:

In der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden ist die Baumschutzsatzung am 12. Dezember 2002 ersatzlos aufgehoben worden, obwohl das Ortsgesetz sehr liberal gefasst war und sich  fast 25 Jahre lang bewährt hat. Für diesen Schritt fand sich mit den Stimmen von CDU, FDP, Republikanern und eines fraktionslosen Ex-Republikaners eine Mehrheit im Stadtparlament.

Der städtische Naturschutzbeirat, der Architektenbeirat und der Ortsbeirat „Rheingauviertel“ hatten sich zuvor vergeblich für die Erhaltung der Baumschutzsatzung stark gemacht. Was sprach gegen die Aufhebung der Baumschutzsatzung?

Die Wiesbadener Baumschutzsatzung war, insbesondere seit sie 1990 auf Wunsch der Stadtverordnetenversammlung grundlegend novelliert wurde, geprägt von dem Bemühen um Akzeptanz bei der Bevölkerung. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass die Stadt selbst sich als Grundstücks- und Baumeigentümerin freiwillig Satzung unterwarf, sondern wird vor allem dadurch belegt, dass die nach dem Bundes- und Landesnaturschutzgesetz zulässigen Eingriffsmöglichkeiten gegenüber den Bürgern bei weitem nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wurden. 

Der räumliche Anwendungsbereich der Satzung erstreckte sich seit jeher nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden. Die Satzung zielte vielmehr lediglich auf den Schutz von Bäumen in bebauten Gebieten ab und erfüllte damit  im Kern schon immer eine Forderung des Hessischen Naturschutzgesetzes 2002 (Baumschutzsatzung nur für den Innenbereich).

Das Genehmigungsverfahren nach der Wiesbadener Baumschutzsatzung war für die Antragsteller gebührenfrei. Die Stadt machte von ihrer Möglichkeit, für die Bearbeitung der Baumentfernungsanträge Verwaltungsgebühren festzusetzen, keinen Gebrauch.

Erhielt ein Antragsteller auf seinen Antrag hin eine Entfernungsgenehmigung, so musste mit dieser Erlaubnis nach der Wiesbadener Baumschutzsatzung keineswegs zwingend eine Auflage zur Ersatzpflanzung verbunden werden (“soll” statt “muss”). Dies war für den Bürger insbesondere dann günstig, wenn sein Baum bereits die Endphase seiner biologischen Existenz erreicht hatte.

Eine Ausgleichszahlung anstatt der Ersatzpflanzung durfte nach der Wiesbadener Baumschutzsatzung niemals hoheitlich festgesetzt werden. Eine Ausgleichszahlung kam in der Landeshauptstadt vielmehr nur dann in Betracht, wenn sich der Pflichtige an Stelle der Ersatzpflanzung (auf einem standortfremden Grundstück) freiwillig für eine Geldzahlung entschied.
Die Wiesbadener Baumschutzsatzung blieb gerade in diesem Punkt deutlich hinter dem Hessischen Naturschutzgesetz zurück, das auch die hoheitliche Festsetzung von Ausgleichszahlungen erlaubt. Diese strenge Fassung des Landesnaturschutzgesetzes geht übrigens ursprünglich zurück auf einen Antrag der F.D.P.-Fraktion im Hessischen Landtag vom 8.12.1993 (LT-Drs. 13/558) und wurde von der schwarz-blauen Koalition im Landtag auch bei Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes im Sommer 2002 nicht angetastet!

In den Fällen, in denen ein Baum entfernt wurde, ohne dass die erforderliche Genehmigung beantragt wurde und ohne dass sie hätte erteilt werden können, setzte die Wiesbadener Baumschutzsatzung primär auf Folgenbeseitigung, d.h. auf Ausgleich des ökologischen Schadens durch angemessene Ersatzpflanzung, und nicht auf Kriminalisierung und Bestrafung des Täters durch Verhängung einer “saftigen” Geldbuße. Auch das neue Hessische Naturschutzgesetz erlaubt Bußgelder gegen Baumfrevler bis zur Höhe von 100.000 Euro!

Die ersatzlose Abschaffung der Wiesbadener Baumschutzsatzung war daher nach meiner Ansicht ein Fehler; es hat mich überhaupt nicht überrascht, dass sich das Wiesbadener Stadtparlament schon am 23.9.2004 wieder formell mit dem Thema „Baumschutzsatzung“ beschäftigt hat. In der Stadtverordnetenversammlung war nur noch eine Minderheit von CDU und FDP (40 von 81 Abgeordneten) gegen die Wiedereinführung der Baumschutzsatzung! Nur weil im Lager der Befürworter 4 Mandatsträger fehlten, scheiterte der Antrag der GRÜNEN mit 37 Ja-Stimmen gegen 39 Nein-Stimmen.

Gleichwohl bereitete auch der CDU als stärkster Rathaus-Fraktion  das zunehmende Verschwinden wertvollen Baumbestandes aus dem Stadtbild Unbehagen (Heidi Müller-Gerbes in ihrem Kommentar: „Einsicht“ in der FAZ v. 16.10.2004). Dem Vernehmen nach wurden allein im ersten „satzungslosen“ Jahr 2003 annähernd 4.000 Bäume in Wiesbaden gefällt. Zu Beginn des Jahres 2005 herrschte in Wiesbaden "Baumalarm" (Birgit Emnet in ihrem gleichnamigen Kommentar im Wiesbadener Kurier vom 16.2.2005). Am Anfang des Jahres 2006 war bereits vom "Baum-Krieg" die Rede (Bild-Zeitung v. 21.2.2006) die Rede.

Nach der Kommunalwahl vom März 2006 hat die neue Jamaika-Koalition (CDU, FDP und GRÜNE) im Wiesbadener Stadtparlament daher wenig überraschend angekündigt, Anfang des Jahres 2007 wieder eine neue Baumschutzsatzung in Kraft zu setzen - und zwar ebenso wie in Frankfurt pauschal für  den gesamten Innenbereich im Stadtgebiet (vgl. Satzungsentwurf der Fraktionen CDU/GRÜNE/FDP vom 20.6.2006). Anders als in Frankfurt am Main bewertete jedoch auch die örtliche Baumschutzinitiative in Wiesbaden (www.baumschutzhotline.de) in einer Pressemitteilung vom September 2006 die Rechtssicherheit höher als einen möglichst großen räumlichen Anwendungsbereich der Baumschutzsatzung und forderte geradezu, sie in Wiesbaden nicht auf den gesamten Innenbereich zu erstrecken und sie nur nach einer qualifizierten Bürgerbeteiligung entsprechend § 3 BauGB zu verabschieden. Der Magistrat ist daher zur Vermeidung rechtlicher Risiken von der pauschalen Unterschutzstellung des Innenbereichs wieder abgerückt, nach der maßgeblichen Karte wird sich die neue Baumschutzsatzung aber gleichwohl auf weite Teile des Stadtgebiets, insbesondere den kompletten Bereich der Innenstadt erstrecken. Der entsprechende Satzungsentwurf des Magistrats vom 17.10.2006 wurde bis zum 27.11.2006 zur Entgegennahme von Bedenken und Anregungen öffentlich ausgelegt.

Dieses Beteiligungsverfahren wurde am 16. Januar 2007 abgeschlossen: Eine Reihe von Änderungsvorschlägen der Bürger und Ortsbeiräte wurden in den Satzungstext eingearbeitet. Zudem wurde geprüft, ob neue rechtliche Anforderungen aus dem am 8. Dezember 2006 in Kraft getretenen Hessischen Naturschutzgesetz zu berücksichtigen waren. Der Magistrat hat die überarbeitete Satzungsvorlage der Stadtverordnetenversammlung zugeleitet und am 8. Februar 2007 hat dann die  Stadtverordnetenversammlung schließlich den entscheidenden Beschluss gefasst. Seit dem 27. März 2007 gilt in Wiesbaden die neue Baumschutzsatzung v. 16.2.2007.

Das entspricht ganz meiner Prognose, die ich an dieser Stelle schon im Jahr 2002 aufgestellt habe: "Das Wiesbadener Stadtparlament wird die Baumschutzsatzung - jedenfalls wenn sich die Landeshauptstadt auch in Zukunft als “Nizza des Nordens” bezeichnen will - schon in wenigen Jahren zumindest für den Innenstadtbereich wieder einführen". Folgende Argumente haben mich zu dieser Einschätzung bewogen:

Die Innenstadt einer Großstadt verliert zwangsläufig enorm an Lebensqualität, wenn im Wesentlichen nur noch die öffentliche Hand für Baumpflanzung und –erhaltung (an Straßen, in Parks und auf Friedhöfen) Sorge trägt. Auch die städtischen Bäume in Wiesbaden haben unter der Abschaffung der Baumschutzsatzung gelitten. So war z.B. das Verfahren, das dem Abholzen der berühmten Platanen vor dem Kurhaus, dem "Herz" der einstigen Weltkurstadt, im Februar 2005 vorausging, alles andere als  transparent. So tut man nichts gegen die so genannte "Politikerverdrossenheit".

Der Umgang der Landeshauptstadt Wiesbaden mit ihren eigenen Bäumen wird ständig beobachtet von der Baumschutzinitiative Wiesbaden.

Wenn einem Bürger klar gemacht werden kann, dass sein Grundeigentum z.B. wegen Denkmalschutz nicht seiner alleinigen Verfügungsgewalt unterliegt, sollte er auch von der Sozialbindung des Eigentums aus Gründen des Umweltschutzes überzeugt werden können. Schließlich sind bei der Volkabstimmung zur Aufnahme des Art. 26 a in die Hessische Verfassung am 20.1.1999 mehr als 80% der gültigen Stimmen für die Staatszielbestimmung “Umweltschutz” abgegeben worden. Die Hessische Verfassung appelliert dabei ausdrücklich an die Verantwortung der Gemeinden. Diese Verantwortung ist nach der Änderung des Hessischen Naturschutzgesetzes 2002 noch gestiegen, da der Landtag den Schutz der Grünbestände im besiedelten Bereich zur (nahezu) ausschließlichen Angelegenheit der Gemeinden erklärt hat.

Gerade im Innenstadtbereich von Großstädten hat man es  zudem weniger mit Normalbürgern zu tun, denen die Entfernung eines Baumes leid tut und die daher von sich aus zu einer Ersatzpflanzung schreiten, sondern mit Bauträgergesellschaften, denen zur Erzielung größtmöglichen Gewinns ausschließlich an der maximalen Ausnutzung der bebaubaren Fläche gelegen ist. Zu ökologisch einigermaßen ansprechenden Ersatzbäumen finden sich diese Gesellschaften nach meiner Erfahrung nur bereit, wenn sie durch klare ortsgesetzliche Regeln hierzu verpflichtet werden.

Die Gemeinden bestimmen also das Schutzniveau. Verzichten sie auf eine Baumschutzsatzung, hängt die Frage “Baumunterhaltung oder Baumentfernung” in aller Regel ausschließlich vom Willen des Grundstückseigentümers ab
(vgl. die von der Wiesbadener Stadtverwaltung im Jahr 2003 herausgegebene Broschüre „Bäume in Wiesbaden“). Denn das Hessische Naturschutzgesetz 2002 stellt die Beseitigung von Grünbeständen im baurechtlichen Innenbereich ausdrücklich genehmigungsfrei, wenn damit nicht eine Nutzungsänderung des Grundstücks verbunden ist. In der Nachbarstadt Hofheim hat man damit bereits Erfahrungen gemacht: “Bäume sind ohne Lobby - in 90 bis 95% der Fälle sind Bäume nicht geschützt”, so lauteten die Schlagzeilen eines Artikels in der Frankfurter Rundschau vom 14.11.2002.

 

Wenn jemand gern im Internet seine Meinung zum Thema "Kommunale Baumschutzsatzungen" äußern würde: Der Landesverband Hessen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald hat im April 2004 ein Diskussionsforum zum Thema "Kommunale Baumsatzungen" eröffnet.

Kürzlich las ich einen Artikel über den bekannten “Botschafter für eine humanere Stadtgestaltung”, Herrn Dieter Magnus. Herr Magnus wurde im Herbst 2002 65 Jahre alt. Er lebt in Wackernheim, also ganz in der Nähe von Wiesbaden.  Ein Zitat von ihm hat mich sehr beeindruckt: “Wer könnte leben ohne den Trost der Bäume? – Nur wenige, doch viele wissen das noch nicht.”

 

© Ulrich Dressler, 28.01.2011