Buchbesprechung (veröffentlicht in StAnz. 2001 S. 1565)

Gemeindliches Satzungsrecht und Gesetzesvorbehalt. Von Stefanie Engel-Boland. 1. Auflage, 1999, 133 S., brosch., 69,--DM. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden (Frankfurter Kommunalwissenschaftliche Studien, Band 4). ISBN 3-7890-5823-8

Die hier anzuzeigende Untersuchung wurde 1998 von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Nach relativ langer Pause (vgl. StAnz. 95 S. 240) ist also in der von den Professoren Meyer und Steinberg herausgegebenen Reihe "Frankfurter kommunalwissenschaftliche Studien" ein neuer Band erschienen; "endlich" möchte man in Anbetracht des gewohnten Niveaus dieser Schriftenreihe hinzufügen. Die Verfasserin war nach ihrem ersten Staatsexamen von 1995 bis 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main und hat dort 1998 promoviert.

Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob den Gemeinden für "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" eine originäre und damit eigenständige Rechtsetzungsbefugnis zusteht, die auch das Recht zum Erlass von den Bürger belastenden Regelungen umfasst. Diese Frage wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Rechtslehre verneint, leider meistens ohne nähere Auseinandersetzung mit den einschlägigen verfassungsrechtlichen Normen. Gelegenheit dazu, das Verhältnis zwischen gemeindlicher Rechtsetzungshoheit und Gesetzesvorbehalt zu thematisieren, bestand in der jüngeren Vergangenheit insbesondere im Umweltbereich, und zwar vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit kommunaler Verpackungsabgaben sowie der Möglichkeit des Verbots von Einweggeschirr.

Die Verfasserin kommt in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass das den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht, "alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft .... zu regeln", entgegen der herrschenden Meinung weder durch das Rechtsstaats- noch durch das Demokratieprinzip in seiner Reichweite beschränkt wird. Das Grundgesetz weist danach - für den Eingriffsbereich - keineswegs ausschließlich den staatlichen Parlamenten die originäre Befugnis zur Rechtsetzung zu. Auch die für den kommunalen Bereich typischerweise relevanten Grundrechte aus Art. 2, 12, 13 und 14 GG erlauben dem gemeindlichen Satzungsgeber eine eigenständige Rechtsetzungsmöglichkeit, weil sie die originäre Kompetenz zur Ausfüllung ihres Schutzbereichs eben nicht ausschließlich den staatlichen Parlamenten vorbehalten Die Verfasserin widerlegt z.B. die üblicherweise vorgenommene Auslegung, dass "Gesetz" i.S. von Art. 13 Abs. 7 GG aus historischen Gründen nur ein formelles Gesetz sein könne. In teleologischer Hinsicht hält sie ein parlamentarisches Gesetz zwar im Verhältnis zu Rechtsverordnungen besser zur Einschränkung von Grundrechten geeignet, nicht aber im Verhältnis zu gemeindlichen Satzungen. Satzungsrechtliche Regelungen, die behördliche Betretungs- oder Besichtungsrechte vorsehen, sind danach zulässig.

Am Schluss ihrer Arbeit fasst die Autorin die Ergebnisse ihrer Untersuchung in elf Thesen zusammen und gibt denjenigen, die zu Einzelproblemen noch weiterforschen wollen, weiterführende Hinweise durch ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis.

Die Untersuchung präsentiert eine Fülle von wichtigen Einzelergebnissen und behandelt die angesprochenen Rechtsprobleme durchweg auf hohem Niveau; Geneigte Leser erhalten -selbst wenn sie den Schlussfolgerungen der Autorin skeptisch gegenüberstehen - eine Vielzahl von Denkanstößen. Schon 1990 befasste sich der Deutsche Juristentag mit der Frage "Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden?"; ermutigend ist in dieser Hinsicht das von der Autorin zitierte Beispiel der "gemeindefreundlicheren" Schweiz, wo die Geltung des Gesetzesvorbehalt gegenüber der gemeindlichen Rechtsetzung schon früh bestritten wurde und wo in neuerer Zeit eine formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nur bei besonders schweren Eingriffen verlangt wird.

Ministerialrat Ulrich Dreßler

© Ulrich Dressler, 08.02.2002