Mein häuslicher Schreibtisch steht in Nastätten, einer kleinen und schönen Stadt im westlichen Taunus, von den Einheimischen kurz und liebevoll als "Taunusmetropole" bezeichnet. Hier im "Blauen Ländchen"  bin ich auch geboren und aufgewachsen. Die Stadt Nastätten und der Rhein-Lahn-Kreis gehören verwaltungsmäßig zu Rheinland-Pfalz. Der rechtsrheinische Teil dieses Bundeslands  war das Kerngebiet des 1803 gegründeten Herzogtums Nassau mit der gleichnamigen Stadt an der Lahn; Nastätten, 1817 als Stadt bezeichnet, erhielt damals eine zentrale Funktion, nämlich den Sitz eines der 28 Ämter, in die sich das Herzogtum gliederte. 1866 war "Nassau" ein preußischer Regierungsbezirk, ab 1944 sogar für kurze Zeit eine eigenständige preußische Provinz. Das "Nassauer Land", das heute zu Rheinland-Pfalz gehört,  war zwar im 2. Weltkrieg zunächst ebenfalls amerikanisch besetzt, wurde dann aber im Juli 1945 den Franzosen überlassen, die in Koblenz ihrRh-L-Kreis-mit_Nastätten.jpg (40592 Byte) Hauptquartier hatten und einen rechtsrheinischen Brückenkopf haben wollten. Alle Hzgtm_Nassau_Deutschland_1815.gif (77608 Byte)Bestrebungen des Landes Hessen und vieler Nassauer Bürger, die Teilung Nassaus wieder aufzuheben, blieben in der Folgezeit erfolglos. Auch ein Volksbegehren (1956) und eine Volksabstimmung (1975) brachten nicht die erstrebte Rückgliederung des nassauischen Nordwestens an das Bundesland Hessen. Zum Trost seien alle Nachtrauernden daran erinnert, dass der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss, ein überzeugter Anhänger der kommunalen Selbstverwaltung, bereits am 7.12.1949 in Wiesbaden feststellte: "Gemeinden sind wichtiger als Länder". Seit 2001 gibt es Bestrebungen, dem nördliche Rheinland-Pfalz (auf beiden Seiten des Rheins) rund um Koblenz in der Region Mittelrhein  eine eigene Identität zu verleihen.

Nastätten befindet sich in der Nähe des romantischen Mittelrheintals mit seinen vLoreleyfelsen.jpg (113626 Byte)ielen Burgen undWelterbe-Logo .jpg (9443 Byte) der Loreley, wo in meiner Jugend tolle Rockkonzerte stattfanden - eine Tradition die aktuell wiederbelebt wird! Die Römer hinterließen mit dem Limes bleibende Spuren. Das Obere Mittelrheintal wurde am 27.6.2002  in die Unesco-Liste des Kultur- und Naturerbes der Menschheit aufgenommen, ebenso nun auch der  Limes als größtes Bodendenkmal Europas am 15.7.2005. Nastätten liegt - darauf möchte ich wegen meines Faibles für Bäume ausdrücklich hinweisen - an der Deutschen Alleenstraße, die mehr als 2500 km lang ist und von Rügen bis zum Bodensee führt. Eine andere Touristikstraße, die Oranier-Route erinnert an das Fürstengeschlecht Oranien-Nassau und verbindet daher das Nassauer Land mit den Niederlanden. Die Ursprünge des Hauses Nassau liegen nach neueren Forschungen übrigens ganz in der Nähe von Nastätten, in der "Alten Burg bei Lipporn", der ältesten Burg - entstanden vermutlich im 10. Jahrhundert - in unserem wahrlich burgenreichen Landkreis. Ausgehend von der Stadt und dem Haus Nassau findet sich der Name Nassau heute in aller Welt, z.B. für die Hauptstadt der Bahamas. Zu Unrecht - zumindest aus Sicht der Nassauer - bezeichnet der Begriff "Nassauer" umgangssprachlich einen Menschen, der gern auf anderer Leute Kosten lebt, einen Schnorrer also. Die Verbindung zwischen Nassau und Preußen wurde bereits erwähnt. In der Neujahrsnacht 1813/14 begann der preußische Feldmarschall Blücher in Kaub seinen berühmten Rheinübergang, um Napoleon I. in seinem eigenen Land weiterzuverfolgen. 1866 kam Nassau zu Preußen, nachdem sich der Herzog im deutsch-deutschen Krieg an die Seite Österreichs gestellt hatte. Daran konnte auch der Sieg Nassaus über Preußen am 12. Juli 1866 vor den Toren Nastättens in der "Schlacht bei Zorn" nichts ändern, denn es handelte sich bei Licht betrachtet nur um ein für den Kriegsverlauf unerhebliches Scharmützel.  Nach der Bildung der preußischen Provinz Hessen-Nassau 1866 stieg die alte nassauische Residenzstadt  Wiesbaden zur Weltkurstadt auf. Von der heutigen Kreisstadt  und damaligen "Weltbad" Bad Ems sandte am 3. Juli 1870 der dort zur Kur weilende preußische König Wilhelm I. seine berühmte Emser Depesche, die bekanntlich zur französischen Kriegserklärung und in der Folge zur Entstehung des deutschen Kaiserreichs führte. Nastätten erhielt 1867 ein königlich-preußisches Amtsgericht, das genau 100 Jahre bestehen sollte. Das Nastätter Mineralwasser "aus dem Brunnen im Schwall"  - 1899 als das gehaltreichste in ganz Nassau bezeichnet  - wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von einer englischen Firma als Tafelwasser unter dem Namen "Sinaro"  hauptsächlich nach Großbritannien und in die britischen Kolonien exportiert ("Sinaro" - natural sparkling mineral water, bottled at the Sinaro Springs, Nastätten, Prov. Nassau). Abschließend sei erwähnt, dass einige Dörfer der heutigen Verbandsgemeinde Nastätten zusammen mit etlichen Gemeinden, die heute zu Hessen gehören, nach dem Ersten Weltkrieg den legendären Freistaat Flaschenhals (1919 - 1923: "Nirgends ist es schöner als - in dem Freistaat Flaschenhals!") bildeten.

Hier in meiner Heimat wurden einige berühmte Persönlichkeiten geboren, wie z.B. der Erfinder des Vier-Takt-Motors, Nicolaus-August Otto (1832 in Holzhausen) oder der Räuberhauptmann Johann Bückler, genannt Schinderhannes (1783 in Miehlen).

Ein großer Sohn Nastättens ist  Wilhelm Nesen (1493 -1524); er war ein gelehrter Humanist, Leiter des ersten Frankfurter Gymnasiums und ein Freund und Förderer Martin Luthers.

Schon von Berufs wegen lege ich Wert auf die Feststellung, dass auch bekannte Verwaltungsbeamte von hier stammen: An erster Stelle muss ich als Kommunalrechtler natürlich den Begründer der kommunalen Selbstverwaltung, den Freiherrn vom und zum Stein nennen, der 1757 in Nassau geboren und nach seinem Tod auf dem Familienfriedhof im benachbarten Frücht beigesetzt wurde. Sein politisches Testament vom 24.11.1808 ("Wenn dem Volk alle Teilnahme an den Operationen des Staates entzogen wird, kommt es bald dahin, die Regierung teils gleichgültig, teils in einzelnen Fällen in Opposition mit sich zu betrachten") ist eine ewig aktuelle Mahnung an die jeweils Herrschenden. 

Schon im Jahr 1541 war der Bruder des oben erwähnten Wilhelm Nesen,  Konrad Nesen,  Bürgermeister der bekannten sächsischen Stadt  Zittau im Drei-Länder-Eck zu Polen und Tschechien geworden.

Aus der jüngeren Vergangenheit ist insbesondere der
1877 in Nastätten geborene US-Senator Robert Ferdinand Wagner zu nennen; er war ein enger Freund von Franklin D. Roosevelt und ein bedeutender Sozialpolitiker: "Es sind nicht die Arbeiter, sondern ihre Gegenspieler, die zu viel Macht haben!"  Eine bekannte Schlagzeile über ihn lautet: "Ob man sie nun mag oder nicht, er hat mehr wichtige und weitreichende Gesetze geschaffen als jeder andere Amerikaner seit den Tagen der Gründerväter". 1927 ernannte man ihn anlässlich eines Besuchs in seiner Heimatstadt zum ersten Ehrenbürger Nastättens. Später wetterten die Nazis gegen den deutschstämmigen US-Senator, weil er die Behandlung der Juden in Deutschland öffentlich anprangerte. Sein gleichnamiger Sohn, Robert F. Wagner juniorwar von 1954 bis 1965 Oberbürgermeister von New York und erhielt bei seinem vierten Besuch 1962 ebenfalls den Ehrenbürgerbrief der Stadt Nastätten.
Seit dem Februar 2005 ist der langjährige Bürgermeister von Nastätten, Karl-Peter Bruch, neuer Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz und auch mein dortiger Kollege im Kommunalrechtsreferat, Hubert Stubenrauch, der ebenfalls schriftstellerisch tätig ist und zum Kreis der Herausgeber der KommunalPraxis Süd-West zählte,  wohnt im und stammt aus dem Nassauer Land. Hubert Stubenrauch ist Mitglied der ministeriellen Fachredaktion "Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene in Rheinland-Pfalz". Sein ehemaliger Chef, Ministerialdirigent a. D. Rudolf Oster, hat übrigens in mehreren Interviews unmittelbar nach seinem Eintritt in den Ruhestand im Dezember 2005  den Umgang des Landes Rheinland-Pfalz mit seinen Kommunen vor dem Hintergrund der grassierenden Staatsverschuldung deutlich kritisiert.  Die Oster-Kritik, die auch in anderen Ländern für Aufsehen gesorgt hat, beinhaltet insbesondere zwei Vorwürfe:

Zum Schluss noch zu einem besonders schönen Zweig der Verwaltung, nämlich der Verwaltung einer Ferienwohnung. Meine ebenso nette wie mehrsprachige Schwägerin, die die meiste Zeit des Jahres in Italien residiert, "managt" ein wirklich sehr hübsches Ferienhäuschen in Kalabrien, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Ein wirklich empfehlenswertes Urlaubsdomizil in "Bella Italia"!

© Ulrich Dressler, 06.12.2008